fußball ist toll. fragen sie mich nicht warum.

ich bin anhänger, ja sogar mitglied von eintracht frankfurt. und also fußballfan. kann aber aus unterschiedlichen gründen, das sei zuvor erwähnt, nullkommanull selbst fußball spielen. eine meiner meistgenutztensten apps ist die von transfermarkt. ich habe ganze fußball-almanache auswendig gelernt. mein erstes wm-spiel war das sogenannte halbfinale gegen polen bei der wm (im „eigenen“ land) 1974. eigentlich war es ja kein richtiges halbfinale. die brd spielte gegen polen in der zweiten runde der gruppe b. es war ein eigenartiges spiel, da aufgrund im vorfeld extremen, sintflutartigen regenfällen, der rasen derart nass war, dass der ball nach einem pass oft einfach liegen blieb und sich so eine eigenartige dynamik ergab. all das wusste ich aber damals noch nicht zu deuten. für mich, als 7-jähriger war nur klar: die brd soll gewinnen und franz beckenbauer ist der coolste. ich hatte den namen johan cruyff noch nie gehört und konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass die spieler der brd-mannschaft jemals gegen jemanden verlieren könnten. und das taten sie dann erstmal ja auch nicht.

ausgerechnet bei einem urlaub in österreich durfte ich erleben, wie schmachvoll es sein kann, wenn die eigene nationalmannschaft gegen jemanden verliert. zum beispiel gegen hans krankl und edi finger.

ich habe jedenfalls seit diesem spiel gegen polenm am 3. juli 1974, kein wm-spiel verpasst das irgendwie im fernsehen oder im radio übertragen wurde. ich bin abends lange aufgeblieben, vor dem fernsehen eingeschlafen, habe mir den wecker gestellt, habe 2002 morgens um 8 uhr mit den kumpels biertrinkenderweise vorm fernsehen gesessen. immer! irgendwann war die zeit, da konnte man wirklich JEDES spiel sehen. es war toll und irgendwie, auch wenn mir die spiele der SGE näher waren und mir auch die bundesliga oder der UEFA-cup mehr bedeuteten, war jede fußball wm und ab 1980 auch jede fußball-em ein großes fest und ich freute mich wie wahnsinnig darauf.

bis zu dem tag, am 2. dezember 2010, als joseph blatter verkündete, die wms 2018 gingen an russland und 2022 an qatar. mich lauste der affe. bei russland dachte ich ja noch, dass das wenigstens ein land mit einer gewissen fußballkultur ist. mal von putin abgesehen, kann in russland eine wm stattfinden. es gibt fußballstadien, es gibt [richtige] fußballfans, es gibt eine liga, etc. aber in qatar??? nun ja, die fifa. was willste schon erwarten?! und je näher die wm kam und je mehr ich mich mit dem wüsten land beschäftigte um so mehr war klar. das wird nichts. das ist ein horror vom anfang bis zum ende. die fifa wird mich bis zum ende aller tag am arsch lecken [müssen]. man kann ja von qatar halten was man will [ich halte jetzt nicht so viel davon], aber die machos machen ihr ding und man könnte jegliche zusammenarbeit mit solchen ländern komplett sein lassen, etc., man kann aber unter keinen umständen, wenn man noch bei trost und verstand ist und einen einigermaßen ausgerichteten moralkompass in sich wohnen hat, die fußball-wm an so ein land vergeben. es gibt ja bei allen anderen zweifelhaften vergebungen der wms wenigstens immerhin noch das ding, dass das zum teil nicht so von der sonnenseite des lebens verwöhnte volk dieser länder aus fußballfanatiker:innen besteht, die über die stattfindung einer wm in ihrem land frohlockt haben. und dann, naja, was soll ich sagen … aber qatar … das gibt es KEIN argument. es gibt keine ausrede, es gibt keinen grund, kein sinn, nichts, was es rechtfertigen würde, dass die wm nach qatar vergeben wurde.

in der doku von julia friedrichs und jochen breyer werden die mannigfaltigen gründe dagegen sehr gut dokumentiert. qatar ist der sündenfall. und wenn ich bedenke, dass die nächste wm, neben mexiko und kanada, in einem eventuell von donald trump regierten land stattfinden wird, ist auch diese veranstaltung schon im eimer, bevor sie eröffnet ist. also gleich fußball für immer lassen? keine ahnung. ich kann ewig über fußball nachlesen. tabellen, eckdaten, etc. alles ist so wahnsinnig spannend. ich finde das politische und gesellschaftliche rund um den fußball sogar fast noch wichtiger und interessanter. man kann dem fußball keine irrelevanz unterstellen, auch wenn man mit fußball nichts anfangen kann. der fußball ist [immer noch] wichtig.

nun schaue ich mir die berichterstattung vor und nach den spielen an. das hier ist politisch. fußball ist ja schon alleine deswegen politisch, weil der fußball so tut, als gäbe keine (offen) schwulen fußballer. aber nun. und wenn christoph kramer (den ich sehr schätze) vor und nach den aktuellen spielen in qatar sagt, dass er das alles dort scheiße findet … das ist ja ganz okay, aber was bringt’s? er sitzt ja trotzdem für ein sicher gutes honorar da. die menschen in qatar finden es zum beispiel gar nicht so toll, dass wir (der westen) unsere werte und kultur in das land bringen wollen, wie seinerzeit zu den unzeiten der kolonialisierungen. das haben die leute da schon noch drin und wollen es nicht vergessen, wie wir da in ihre ländereien gerüpelt sind. ob jetzt die kapitäne diverser mannschaften eine one-love-armbinde tragen oder nicht, interessiert ja vor allem die leute hierzulande. dann könnte man z.b. manuel neuer „eier“ unterstellen. oder ihn halt dissen und canceln und schmähen, beleidigen, beschimpfen. wie es halt üblich ist in den sozialen netzwerken. dass die jungs, millionäre hin und her, einfach fußball spielen wollen und sich vier jahre auf so eine wm freuen, ihre leidenschaft und ihren beruf im regen austragen, bei schneefall oder bei 38°C im schatten und zwischendurch in stinkenden [nehme ich mal an] umkleidekabine und gemeinschaftsduschen rumhängen, die spielen einfach fußball und müssen nun politisch agieren, denken und für uns stellvertretend eine haltung vertreten. leute! ich weiß ja nicht. ich bin mir noch nicht sicher, wie ich das finden soll. kann sein, dass das in ihrem verantwortungsbereich liegt, kann aber auch nicht sein. ich würde mich trotzdem freuen, wenn die entsprechenden herrschaften heute mit dem bunten lappen um den arm gewickelt auf feld laufen. gelbe karte zum trotz. einfach mal machen. man wird schon sehen. da geh ich mit dem vizekanzler.

und noch was. die (ehemalige) iranerin golineh atai, leiterin des zdf-büros in kairo und bei der wm als korrespondentin für das ZDF-sportstudio in qatar tätig, hat gestern bei lanz erzählt, dass die leute im iran ihrer mannschaft nicht verzeihen können, dass sie im vorfeld bei bei irans präsident ebrahim raisi vorstellig wurden, während sich der ehemalige spieler des fc bayern und rekordnationalspieler ali daei im land extrem weit aus dem fenster lehnt, damit er sich für die rechte der protestierenden einsetzten kann. das schweigen der iranischen nationalmannschaft beim abspielen der nationalhymne, hat das volk dort offenbar nicht versöhnlich gestimmt. und es kann gut sein, dass die karrieren der nicht singenden fussballspieler am arsch sind und wer weiß schon, was denen noch alle droht. und dann kommt das noch nicht mal beim iranischen volk an. doppelt tragisch. bei uns ist das team melli der held, aber am ende feiern wir uns da nur wieder selbst, im rahmen all unsere selbstgerechtigkeit und -gefälligkeit. es ist alles wahnsinnig verzwackt. ich weiß nicht was richtig ist. eigentlich wäre es nur für die paar leute, die an so ein gfk-meter angeschlossen relevant, ob sie die spiele schauen oder nicht. was bringt also ein privatboykott der wm?

nun habe ich aber, wie gesagt, die lust verloren am wm-fußball, werde mir aber auf jeden fall anschauen, wie „unsere“ mannschaft gleich gegen japan auftreten wird. binde oder nicht?

und eigentlich

hatte ich vor, statt wie sonst bei den wms und ems, über die spiele zu berichten oder am tag vorher die ergebnisse vorherzusagen, wie weiland die krake paul, nun über andere legendäre wm-spiele zu schreiben. aber ich habe keine lust mehr. das ganze ist eine farce und wieviele wms zuvor und in zukunft farcen waren, sind oder sein werden … ich weiß es nicht. der fußball ist vielleicht kaputt. und spätestens infantino hat ihn kaputt gemacht.

ich bin aber froh in einem land zu leben, in dem ich (höchstwahrscheinlich) unbehelligt sagen kann: gianni infantino, du arschoch! danke für nichts!